Wie behandelt man ein Glioblastom?

Wie für viele andere Krebsarten gibt es auch für das Glioblastom aktuell keine Heilung. Allerdings ist es in den letzten Jahren durch Forschung und neuartige Therapiemethoden gelungen, den Verlauf der Krankheit positiv zu beeinflussen.

Nach einer Glioblastom-Diagnose gibt es unterschiedliche Behandlungsmöglichkeiten, die meist miteinander kombiniert angewendet werden.

Operation

Im ersten Schritt versucht man meistens, den sichtbaren Teil des Tumors so vollständig wie möglich zu entfernen, ohne die verschiedenen Funktionen des Gehirns zu beeinträchtigen. Dazu zählt etwa das Ansteuern von Muskeln, zum Beispiel beim Gehen oder Greifen, aber auch Sprache verstehen, logisches Denken und Gedächtnis. 

Um das Risiko zu vermindern, diese Funktionen zu schädigen, kommen verschiedene Hilfsmittel zum Einsatz. Sie unterstützen die Neurochirurg:innen dabei, eine bessere Kontrolle und Übersicht während der Operation zu behalten:

OP-begleitende Verfahren

Das intraoperative neurophysiologische Monitoring (IONM) ist eine Methode, bei der während einer Operation die Nerven und das Gehirn überwacht werden. Dies hilft der oder dem Neurochirurg:in, sicherzustellen, dass keine wichtigen Nerven verletzt werden, indem die Funktion dieser Nerven ständig kontrolliert wird. So können Schäden früh erkannt und vermieden werden.

Neuronavigation ist wie ein GPS für das Gehirn. Sie hilft den Chirurg:innen, genau zu wissen, wo sie sich im Gehirn befinden, während sie operieren. Wie funktioniert das? Vor der Operation machen die Ärzt:innen genaue Bilder vom Gehirn, oft mit Hilfe einer Magnetresonanztomographie. Diese Bilder werden in ein spezielles Computerprogramm geladen. Während der Operation benutzen die Chirurg:innen Werkzeuge, die von diesem Programm verfolgt werden. Diese Werkzeuge sind wie Navigationsgeräte.
Dank der Neuronavigation können außerdem vorab Kartierungen der Bewegungs-und Sprachzentren des Gehirns erstellt werden. Diese können zur Planung der Operation genutzt werden und erlauben es, während der Operation das Tumorgewebe besser vom gesunden Gewebe abzugrenzen.

Noch während der Operation kann entnommenes Gewebe direkt an den oder die Neuropatholog:in als sogenannte Schnellschnittuntersuchung geschickt werden. Die dadurch gewonnenen Informationen können mitunter beeinflussen, wie man operativ vorgeht.

Bei diesem Verfahren wird die entnommene Probe schockgefroren und ein Schnitt angefertigt, der mit einer einfachen Färbung untersucht wird. Das Ergebnis dieser Schnellschnittdiagnostik muss den Neurochirurg:innen zeitnah mitgeteilt werden. Eine endgültige Diagnose benötigt aber noch zusätzliche Informationen und kann deshalb zu diesem Zeitpunkt nicht gestellt werden.

Zur Diagnostik und Lokalisation von Tumorresten wird häufig auch die sogenannte 5-ALA- Fluoreszenz-Bildgebung eingesetzt. Diese kann dem/der Operateur:in helfen, Tumorgewebe vom umliegenden Hirngewebe zu unterscheiden. 

Dafür muss wenige Stunden vor der Operation in Wasser gelöstes 5-ALA (5- Aminolävulinsäure) getrunken werden. 5-ALA kann sich in Tumorzellen ansammeln und während der Operation unter speziellem blauen Licht sichtbar gemacht werden.

Strahlentherapie

Nach der Operation folgt meist eine Strahlentherapie (auch Radiotherapie oder Bestrahlung genannt) in Kombination mit einer gleichzeitig durchgeführten Chemotherapie.

Einfach gesagt: Strahlentherapie ist eine Behandlung, bei der Strahlen verwendet werden, um Krebszellen zu schädigen. Während der Bestrahlung wird die Zellteilung durch hochenergetische ionisierende Strahlung oder Photonenstrahlung behindert. Dies hemmt das weitere Wachstum der Tumorzellen oder führt im besten Fall auch zum Absterben der Tumorzellen. Neben dem Abtöten von Tumorzellen ist ein weiteres zentrales Ziel, gesundes Hirngewebe zu schonen.

Beim Glioblastom wird die gesamte Strahlendosis meist über 30 kleinere Einzeldosen verteilt, damit das gesunde Gewebe nicht zu sehr beeinträchtigt wird. Es gibt aber auch, gerade bei älteren Patient:innen, kürzere, sogenannte hypofraktionierte Bestrahlungsschemata. Dabei erhalten Patient:innen höhere Dosen in weniger Sitzungen. 

Die Tumorregion wird aus verschiedenen Richtungen und mit unterschiedlichen Dosen bestrahlt. Dabei will man das gesunde Hirngewebe so gut es geht schonen. Dafür wird für jede Patientin und jeden Patienten ein individueller Bestrahlungsplan erstellt. Dieser ergibt sich auf Grundlage einer vorab durchgeführten Computertomografie oder Kernspintomografie.

Damit die Bestrahlung immer ganz genau auf dieselbe Region trifft, ist es wichtig, dass die Patient:innen im Bestrahlungsgerät immer dieselbe Position einnehmen. Dabei hilft eine individuell angefertigte Maske, die man am Bestrahlungstisch befestigen kann. Das sorgt dafür, dass der Kopf während der Bestrahlung immer gleich gelagert ist.

Die Bestrahlung erfolgt werktags und verteilt sich in der Regel auf 30 Sitzungen, die jeweils circa eine Viertelstunde dauern. Das entspricht ungefähr einem Zeitraum von sechs Wochen. 

Da die Bestrahlung eine lokale Behandlung ist, beschränken sich Wirkung und Nebenwirkungen auf die betroffene und bestrahlte Region.

Zu den typischen Nebenwirkungen gehören Haarausfall und die mögliche vorübergehende Bildung eines Ödems. Dabei bilden sich durch absterbende Tumorzellen Schwellungen. Diese können Kopfschmerzen verursachen und mitunter auch neurologische Beschwerden vorübergehend verschlechtern. Zur kurzfristigen Verbesserung bei Beschwerden kann Kortison (Dexamethason) eingesetzt werden.

Chemotherapie

Zur Standardbehandlung des Glioblastoms gehört neben der Bestrahlung eine Chemotherapie, die selbstständig zu Hause in Tablettenform durchgeführt wird. Man nutzt dafür das Medikament Temozolomid. Das ist ein Chemotherapeutikum (Zytostatikum), das die Vermehrung der Tumorzellen verhindern soll.

Temozolomid gehört unter den Chemotherapeutika zu den sogenannten Alkylanzien. Mit Temozolomid kann die Erbinformation des Tumors (DNA) dauerhaft geschädigt und die DNA-Vervielfältigung behindert werden.

Während der Strahlentherapie wird Temozolomid gleichzeitig vom ersten bis zum letzten Strahlentherapietag eingenommen (auch am Wochenende). Die Dosis errechnet sich durch die Körpergröße und das Gewicht des/der Patient:in. Es wird so die Körperoberfläche in m2 berechnet.

In der Phase danach wird die Chemotherapie an fünf von 28 Tagen eingenommen, allerdings in einer höheren Dosis pro Tag. Die kompletten 28 Tage bezeichnet man als Zyklus. 

Das Medikament Temozolomid ist insgesamt gut verträglich. Viele Patient:innen haben keine relevanten Nebenwirkungen und fühlen sich in ihrem Alltag nicht oder nur wenig eingeschränkt.

Mögliche Nebenwirkungen sind Müdigkeit, Übelkeit, Erbrechen oder eine Myelosuppression. Letzteres bezeichnet eine verringerte Anzahl der Blutkörperchen, welche wiederum zu Müdigkeit, einem höheren Infektionsrisiko und Blutungsneigung führen kann. Es sollte aber auch auf die Leberwerte geachtet werden, da Temozolomid, wenn auch selten, die Leberfunktion stören kann.

Bei einigen Patient:innen ist es sinnvoll, mit einer Kombination aus Temozolomid und einem weiteren Chemotherapeutikum (CCNU, Lomustin) zu behandeln. Das kann dann diskutiert werden, wenn anhand des entnommenen Tumorgewebes eine sogenannte MGMT-Promotor-Methylierung nachgewiesen wurde. Diese Tumore sind mutmaßlich empfindlicher für eine alkylierende Chemotherapie. In einer in 2019 veröffentlichten Studie* fanden sich Hinweise, dass dieser Patientengruppe mit der Kombinations-Chemotherapie möglicherweise besser geholfen werden kann. *Referenz: Herrlinger et al., 2019 Lancet.

Tumor Treating Fields

Bei der Behandlung mit TTFields (deutsch: Tumor-Therapie-Felder) werden elektrische Wechselfelder spezifischer Frequenz mittels eines kleinen tragbaren Geräts (Optune Gio®) erzeugt. Dieses Gerät kann mit einer kleinen Tasche mitgeführt werden. So bleiben die Patient:innen mobil und können während der Behandlung normalerweise einem Großteil ihrer Alltagsaktivitäten weiterhin nachgehen.

Diese elektrischen Felder nennt man Tumor Treating Fields (TTFields). Dazu kommen vier Transducer Arrays, die direkt auf der Kopfhaut platziert werden und die TTFields an den Hirntumor abgeben. Diese Felder sollen u. a. die Teilung der Tumorzellen stören, was ihr Wachstum verlangsamen und sie absterben lassen soll, ohne gesunde Zellen zu schädigen. 

Je nach Behandlungsplan kann die Therapie kontinuierlich über mehrere Stunden am Tag erfolgen und mehrere Monate dauern.

TTFields sind in der Regel gut verträglich. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Hautreizungen an den Stellen, an denen die Elektroden angebracht sind.

Immuntherapie und Impfen

Noch ist es Zukunftsmusik – die aber bereits in Studien Anklang findet: Ähnlich wie wir uns gegen Viren impfen lassen, untersucht die medizinische Forschung, wie wir uns gegen das Glioblastom und andere Hirntumore impfen lassen könnten. Dabei soll das Abwehrsystem der Patient:innen so aktiviert werden, dass es den Tumor direkt bekämpft.  

Weitere Ansätze

Es gibt weitere Therapieansätze, die aber wissenschaftlich nicht ausreichend untersucht wurden. Dennoch wird vereinzelt vermutet, dass zum Beispiel die Behandlung mit ursprünglich nicht für die Krebstherapie angedachten Medikamenten mitunter Wirkung auch auf den Hirntumor haben könnte. Dadurch können sehr oft falsche Hoffnungen geweckt werden, die aufgrund der Datenlage nicht gerechtfertigt sind.

Bitte seid vorsichtig

Wenn immer möglich, sollten individuelle Ansätze im Rahmen repräsentativer Studien untersucht und angewandt werden. Solltet ihr also beispielsweise bei eurer Recherche im Internet auf solche individuellen Heilversuche stoßen, raten wir euch, diese immer kritisch zu hinterfragen. Am besten sprecht ihr darüber auch vertrauensvoll mit eurem behandelnden Arzt bzw. eurer Ärztin.

Gut zu wissen:

Bei der Behandlung eines Glioblastoms wirken viele medizinische Fachdisziplinen zusammen. Darunter: Neurochirurgie, Neurologie, internistische Onkologie, Strahlentherapie, Pathologie, Radiologie und Neuropsychologie.

Checkliste:

Neben unseren Tipps für den Ärzt:innenbesuch können auch folgende Aspekte hilfreich sein: 

  • Sammelt eure Daten: alle Untersuchungsberichte kopieren und zusammenhalten.
  • Holt euch eine Zweitmeinung ein – aber vermeidet auch ein von Ärzt:innen-zu-Ärzt:innen-Hopping.
  • Erkundigt euch nach klinischen Glioblastom-Studien, die für euch infrage kommen könnten.

Das Rezidiv

Wenn es nach einer Behandlung erneut zu einem Tumorwachstum kommt, dann spricht man von einem Rezidiv („recidere“ – lateinisch für zurückfallen) und von einem Progress, wenn noch ein Tumorrest vorhanden war.

Möglichkeiten abwägen 

Für die erneute Behandlung gibt es verschiedene Optionen. So kann der Tumor möglicherweise nochmals mit einer Operation, Strahlentherapie oder Chemotherapie mit verschiedenen Medikamenten behandelt werden. Auch weitere experimentelle Therapien oder eine Behandlung mit TTFields können möglich sein. 

Ist der Zustand der Betroffenen jedoch nicht gut genug für weitere therapeutische Maßnahmen, kann auch eine rein palliative Versorgung in Betracht gezogen werden.

Rehabilitation

Nach der Behandlung haben Patient:innen die Möglichkeit, eine stationäre oder auch ambulante neuroonkologische Rehabilitation durchzuführen. Das kann für manche sinnvoll sein, zum Beispiel, um die körperliche Beweglichkeit oder auch die Sprache zu verbessern. Dies ist aber ganz individuell von der Situation des einzelnen Menschen abhängig.

Ebenso wichtig kann es sein, lieber in gewohnter und familiärer Umgebung wieder auf die Füße zu kommen und sich zu Hause zu stabilisieren. Am besten wägt ihr den Nutzen einer Reha-Behandlung mit euren behandelnden Ärzt:innen ab. In der Regel ist es möglich, auch bereits während einer laufenden Chemotherapie damit zu starten.

Regelmäßige Nachkontrolle

Nach der Therapie kontrolliert man zunächst alle drei Monate per Kernspintomographie, ob sich der Tumor erneut gebildet hat. Die regelmäßige Nachkontrolle ist wichtig, damit man ein eventuell auftretendes Rezidiv so früh wie möglich behandeln kann.